Schuld und Schuldgefühle sind letztlich nichts anderes als der Ausdruck einer Sehnsucht nach der Erfüllung wesentlicher Werte – besonders der Liebe. Die Schuld ist eine leidende, verkannte Schwester der Liebe.
G.E.
Vorbemerkung: Das Schuldthema ist das vielleicht schwierigste Thema überhaupt, da jeder Mensch in irgendeiner Weise darin verstrickt ist; unabhängig davon, ob er an Schuld glaubt oder nicht, oder was er unter Schuld versteht, und wie er mit Schuld umgeht. Vor diesem Hintergrund ist es sogar wahrscheinlich, dass die folgenden Darlegungen als unverständlich, als falsch, als widersprüchlich oder auch als ärgerlich empfunden werden können; besonders dann, wenn man von einer einseitig eindeutigen Negativbedeutung von Schuld ausgeht und daran festhalten möchte. Hier soll es darum gehen, bei bleibender Anerkennung des Negativen und des Leidvollen der Schuld, ihre das Mitgefühl und die Entwicklung fördernde und damit ihre befreiende sowie heilsame Wirkung hervorzuheben. Nur in dieser komplexhaften Verbindung von Negativem, Leidvollem, Mitgefühl, Anerkennung der Schuld und Befreiung kann die Schuld die Not wenden und heilsam sein. (Um hier gleich einem möglichen Irrglauben zu wehren: Es gibt kein „lustiges“ Schuldigsein, um frei zu werden und zu heilen, sondern nur ein leidvolles.)
Schuld ist in diesem Leben unvermeidbar, weil es bei unserer menschlichen Begrenztheit unmöglich ist, allen Werten und allen Ansprüchen gleichzeitig gerecht zu werden.
Schuld und Schuldgefühle
Die Schuld und die eine tatsächliche oder eine vermeintliche Schuld anzeigenden Schuldgefühle nehmen von Kindheit an eine zentrale Rolle im Leben eines Menschen ein. Das ist im jüdisch-abendländisch geprägten Bewusstsein seit Adam und Eva so, und angeblich soll die Schuld an der Vertreibung aus dem Paradies schuld sein.
Damit ist ein wesentlicher Faktor der Schuld bis zum heutigen Tag beschrieben: Entwertung und Ausschluss aus einer harmonischen und bergenden – paradiesischen – Gemeinschaft. Das sind die Folgen und gleichzeitig die Bestrafung der Schuld, die auf alle Nachkommen übertragen wird. Bis heute glauben wir in der Tradition dieses jüdisch-christlich-europäischen Glaubensbewusstsein zumindest auf einer unbewusst-impliziten Ebene – und im religiösen Kontext auch ganz explizit – an diesen Schuldzusammenhang. Daher quälen sich die Menschen ihr ganzes Leben damit ab, entweder Schuld zu vermeiden – was prinzipiell unmöglich ist – oder sich zu rechtfertigen oder Schuld generell zu leugnen.
An dieser Stelle soll zunächst erklärt werden, was hier unter Schuld verstanden wird:
Mit „Schuld“ wird eine Differenz bzw. eine Diskrepanz zwischen einem Ist-Wert und einem Soll-Wert oder auch einem Norm-Wert bezeichnet. So sprechen wir beispielsweise in der Medizin von „Sauerstoffschuld“, wenn eine Diskrepanz zwischen dem Sollwert der normalen Sauerstoffsättigung des Blutes und dem gemessenen Ist-Wert besteht. Entsprechend spricht man auch bezüglich ideeller persönlicher und sozialer Werte, um die es hier geht, von Schuld, wenn ein bestimmter Norm- bzw. Sollwert nicht erfüllt ist. Hierbei besteht nun die große Schwierigkeit, zu bestimmen, was bei einem Wert jeweils die Norm bzw. das Soll ist.
Wer bestimmt die „Normwerte“, wer bestimmt den Geltungsbereich, für wen, wann, unter welchen Bedingungen und wie lange bestimmte Normwerte bzw. „Soll“-Werte gelten?
Die Zehn Gebote sind Sollwert-Festlegungen, die mehr oder weniger bis heute gelten.
In ihnen werden von Gott – dem Schöpfer – „Solls“ vorgegeben, die im Interesse der Gemeinschaft von Schöpfer und seinen Geschöpfen, aber auch im Interesse der Gemeinschaft der Menschen untereinander, zu erfüllen sind: „Damit es ihnen wohlergehe und sie lange auf der Erde leben.“ Diese Solls der Zehn Gebote sind also für das Wohl der Menschen da; sie
sollen dem Menschen dienen und nicht der Mensch den Solls.
Wie relativ diese Solls der Zehn Gebote schon von Anfang an waren, ist im Alten Testament beschrieben: Moses kommt mit den gerade erhaltenen Gebotstafeln mit dem Gebot „Du sollst nicht töten“ vom Berg und erschlägt als erstes tausende seiner Landsleute, weil diese angeblich ihrem Gott untreu geworden seien. Doch in dem Dilemma, welchem Soll bzw. welchem Wert bei miteinander konkurrierenden, scheinbar gegensätzlichen Werten man gerecht werden soll und welcher dabei vernachlässigt wird, befinden wir Menschen uns ständig. Wie immer man sich auch für den einen oder den anderen Wert entscheiden mag: Bezüglich des vernachlässigten Werts hat man sich schuldig gemacht. Es ist also im menschlichen Leben aufgrund der immer wieder miteinander konkurrierenden Werte bzw. Solls unmöglich, nicht schuldig zu werden. Schuld – Nichterfüllung eines Werts – ist im Leben unvermeidbar sodass wir meist unschuldig immer wieder neu in eine Situation hineingeraten, in der wir dem einen oder dem anderen Wert nicht gerecht werden bzw. in der wir uns oder anderen etwas schuldig bleiben.
Auf die Frage, wer denn die Solls bzw. die Werte festsetzt, lautete die Antwort vor einem religiösen Hintergrund: die höchste Autorität, also Gott. Das könnte man für eine Projektion menschlicher Erfahrungen mit menschlichen Autoritäten auf ein entsprechendes Gottesbild halten: Der Stärkste, der Anführer, der Häuptling, der Schamane, der Priester oder der König bestimmt die Werte, die Solls und die entsprechenden Gebote bzw. Gesetze. Wer sie nicht erfüllt bzw. sie verletzt, wird bestraft und auf die eine oder andere Weise aus der Gemeinschaft – auf Zeit oder dauernd – ausgeschlossen.
Das alttestamentarische Muster des Ausschlusses wegen Essens verbotener Früchte ist schon im Tierreich erkennbar: Den ersten Zugang zu den Früchten, dem Fressen hat das Alphatier. Wer das nicht respektiert, wird vertrieben.
Die Frage nach der Entstehung der Werte lässt sich jedoch auch anders beantworten:
Werte und Solls wurden nicht von außen von irgendeinem nach menschlichem Vorbild gebildeten Gott vorgegeben. Sondern sie wurden aus der jeweiligen konkreten Lebenssituation unter den darin herrschenden Bedingungen und den dieser Situation entsprechenden existenziellen Bedürfnissen in sozialer Übereinkunft herausgebildet. Dementsprechend macht es z. B. einen Unterschied für die Gesundheitsprävention, ob – leichter verderbliches – Schweinefleisch in Palästina bei Juden und Mohammedanern verboten ist oder in Europa.
Doch es gibt auch Bedürfnisse und – diesen entsprechend – Werte, die für alle Menschen gelten: Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Geborgenheit, Selbstbestimmung, Freiheit, Kultur im weitesten Sinne mit Feiern und Riten sowie zahlreiche weitere. Das sind Bedürfnisse bzw. Werte, die grundsätzlich von jedem Menschen aus seinem Inneren heraus erfüllt sein wollen. Leidet man an einem dieser Werte Mangel bzw. ist ein Bedürfnis unerfüllt, fühlt man sich schlecht. Dabei zeigt dieses Sich-schlecht-Fühlen lediglich einen Mangel – eine Schuld im Sinne einer Ist-Soll-Diskrepanz – an; vergleichbar mit den Hunger- und Durstgefühlen, die ebenfalls eine Ist-Soll-Diskrepanz bzw. einen Mangel anzeigen. Doch wenn dieses
Sich-schlecht-Fühlen, das ein mangelnde Bedürfniserfüllung anzeigt, mit „ich-bin-schlecht“ gleichgesetzt wird, kommt es zum Schuldgefühl im engeren Sinn, in dem der eigene Wert als Mensch herabgesetzt scheint. Dabei geraten der eigentliche Mangel, das unerfüllte Bedürfnis respektive der unerfüllte Wert – wie z. B. bei fehlender Gemeinschaft – aus dem Fokus.
Wie bestimmend solche Werte wie Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Geborgenheit,
Freiheit, Kultur, Feiern usw. sind, und wie die Menschen leiden bzw. „sich schlecht
fühlen“, wenn diese Werte/Bedürfnisse nicht oder nur unzureichend erfüllt werden,
wird eindrucksvoll unter den Coronabedingungen weltweit offensichtlich. Ebenso
wird offensichtlich, wie dann für die mangelnde Bedürfniserfüllung Schuldige gesucht,
und vermeintlich (Mit-)Schuldige wie Politiker, Virologen oder Impfärzte bedroht
werden. Der extrapunitive Umgang mit Schuld wirkt hier wie eine Ersatzbefriedigung.
Noch deutlicher wurde mir der Stellenwert der Schuld bei der Behandlung von
Flutopfern: Worunter die Menschen am meisten und am nachhaltigsten litten, war
nicht der unmittelbare eigene Verlust, sondern das Schuldgefühl, die eigenen Kinder
oder Verwandte, Freunde, Nachbarn nicht genügend geschützt zu haben bzw., dass
sie sie nicht retten konnten. Hier bei diesem intrapunitiven Umgang mit Schuld bzw.
dem Schuldempfinden sind die Würdigung dieses Empfindens als starker Ausdruck
von Mitgefühl und die Anerkennung dieser „Schuld“ als Liebesäquivalent besonders
notwendig.
Hinter der genannten Fokusverschiebung vom zugrunde liegenden Bedürfnis/Wert auf die gefühlte Zuschreibung „ich bin schlecht“ steckt der Jahrtausende alte Glaube, dass für das Sich-schlecht-Fühlen aufgrund unerfüllter Bedürfnisse irgendjemand die Schuld tragen müsse; am besten jemand Fremdes: Andersgläubige, Andersaussehende, Andersdenkende, Ausländer, der Teufel, das Böse oder auch Gott. Der Fokus der Aufmerksamkeit wird also nicht darauf ausgerichtet, was fehlt, was das unerfüllte Bedürfnis bzw. der unerfüllte Wert ist, sondern darauf, einen vermeintlichen oder tatsächlichen (Mit-)Verursacher, einen Schuldigen ausfindig zu machen, um diesen dann wütend zu bekämpfen. Wenn ich keinen Schuldigen finde oder der mir zu mächtig erscheint, sodass ich seine Reaktion fürchten muss, gebe ich mir selbst die Schuld: „Was bist du nur für ein Versager; du hast es nicht besser verdient; geschieht dir ganz recht, dass du leidest.“
In einem gerechten und heilsamen Umgang mit der Schuld und den Schuldgefühlen geht es demnach zuerst darum, dass ich mich meinen unerfüllten Bedürfnissen bzw. mich meinen tatsächlich oder vermeintlich unerfüllten Werten zuwende. Dabei ist es notwendig, dass ich in mich hineinspüre und ich mit mir mit-fühle. Nur so kann ich wahrnehmen, woran es mir mangelt, welcher Hunger, welcher Durst, welche Sehnsucht in mir ungestillt sind. Solange ich nach einem (äußeren) bösen Verursacher – Schuldigen – meines Mangels, meines damit verbundenen Leids suche, versäume ich, meinem Mangel in mir selbst gerecht zu werden und meinen Hunger, meinen Durst, mein unerfülltes Bedürfnis, meine Sehnsucht zu stillen. Stattdessen befinde ich mich in einem heillosen Kampf, der meinen aktuellen Mangel überlagert, mich vom Mangel sowie vom Erfüllungsstreben ablenkt und so meine Entbehrung noch größer macht.
Es geht hier zunächst darum, dass ich mir immer wieder bewusst mache, dass Schuld und Schuldgefühle wertvolle Helfer sind, die für mich und für meine Bezugspersonen die Erfüllung von Bedürfnissen und Werten anzielen. Schuld und Schuldgefühle stehen zwar – als deren Folge – mit einem leidvollen Verhalten oder einem leidvollen Nicht-Verhalten bzw. Versäumnis im Zusammenhang; sie sind jedoch nicht das Verhalten oder das Versäumnis selbst. Sie sind informative Aspekte und Perspektiven eines mitfühlenden Menschen, der das mit Leid verbundene Verhalten bzw. Versäumnis über Zeiten hinweg bleibend anerkennt und würdigt.
Was macht es nun so schwer, aus diesem naheliegenden Schuldverständnis zu leben und die Schuldgefühle gleichsam wie Hunger und Durst als Mahner und Unterstützer zur Erfüllung lebenswichtiger Bedürfnisse und somit von Leben anzunehmen?
Stattdessen wird versucht, die Schuld zu leugnen, sie an andere zu verteilen oder
sich zu rechtfertigen. Das ist so sinnvoll, wie bei aufkommendem Durst zu sagen:
„Ach ich habe gar keinen Durst“ (Verleugnung) oder „Meine Mutter hat mir nichts
zu trinken mitgegeben“ (Schulddelegation) oder „Mein Rucksack war mir zu schwer,
um noch mehr Wasser mitzunehmen“ (Rechtfertigung).
Ein Grund ist, dass im Gegensatz zum Durstgefühl die Schuldgefühle aus der Sozialisation des Menschen und mehr seiner psychosozialen Bewusstseinsentwicklung entstanden sind.
Das bedeutet, dass Schuldgefühle anders als der Durst nicht nur an der eigenen unmittelbaren „leibhaftigen“ Bedürfnislage orientiert sind, sondern auch an der Bedürfnislage der anderen bzw. an der Gemeinschaft und ihren jeweiligen Werten. In meiner persönlichen, kulturell vorgeprägten psychosozialen Entwicklung lerne ich erst nach und nach – zunächst im Austausch mit den Eltern, später mit anderen Autoritäten – auch deren Bedürfnisse und Werte, die von meinen abweichen können, einzubeziehen und zu berücksichtigen. Ich mache als Kind zunehmend die Erfahrung, dass sich Eltern bzw. Autoritäten entweder von mir abwenden oder sich mir strafend zuwenden, wenn ich ihre Werte nicht genügend achte.
Während ich mir in meiner Durstsituation selbst etwas schulde – Trinken bzw. Flüssigkeit – schulde ich im sozialen Kontext zunächst den Autoritäten und ihren Bedürfnissen bzw. Werten etwas. Die für mich schmerzlichen Reaktionen der Autoritäten in diesem Zusammenhang mit Ablehnung, Abwendung oder Bestrafung setze ich mit „Ich bin schlecht“ gleich; andernfalls würde man sich mir gegenüber nicht so verhalten. Durch die Reaktionen der Autoritäten werden mir erst die Werte und die von meiner aktuellen Bedürfnislage abweichenden Bedürfnisse der anderen bewusst. Das damit verbundene „Ich bin schlecht“ ist etwas anderes und weniger konkret als das „Ich fühle mich schlecht“ bzw. das „Es geht mir schlecht“ in einem umschriebenen Kontext wie z. B. in der Durstsituation.
Doch im weiteren Verlauf der psychosozialen Entwicklung verschmelzen meist das „Ich fühle mich schlecht“ und das „Ich bin schlecht“ miteinander. Das geschieht umso mehr, je mehr die Eltern bzw. die Autoritäten – meine kulturellen Rahmenbedingungen – Schmerz, Leid und Not in einen abwertenden Schuldzusammenhang stellen, wie im Alten Testament vorgegeben, anstatt das Mitgefühl in den Vordergrund zu stellen. Je mehr ich als Kind bei körperlichen oder seelischen Verletzungen gehört habe: „Das bist du selbst schuld“, „Wie hast du das denn angestellt“, „Pass nächstes Mal besser auf“, „Ich habe dir doch gesagt, dass du das nicht sollst“ u. ä., anstatt Mitgefühl und Trost zu erhalten, desto mehr glaube ich an den kausalen Zusammenhang von Leid, Schmerz und Not durch meine mich abwertende Schuld. Viele Menschen sehen dann ihr Unglück, ihre Verluste oder ihre Krankheit als Strafe – eventuell Gottes – für ihre Verfehlungen, Sünden bzw. ihre Schuld an. Doch auch solchen Äußerungen wie: „Warum bin ich nur so schwer krank? Ich habe doch keinem etwas getan“, gehen von einem impliziten Glauben an eine solche Leid-Schuld-Kausalität aus.
Natürlich ist es notwendig, in meiner psychosozialen Entwicklung auch die Bedürfnisse und Werte der anderen kennen und würdigen zu lernen; jedoch zunächst einmal in meinem eigenen Interesse und nicht, um damit die Autorität auf einem Thron über mir zu erheben. Nur wenn ich auch die Bedürfnisse und Werte meiner Lebensumwelt kenne und beherzige, kann ich mich in der Gemeinschaft zugehörig und geborgen fühlen. Dazu muss ich mich nicht den Gesetzen oder Forderungen einer wie auch immer gearteten Autorität unterwerfen. Es genügt mein Wille, mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft zu erfüllen. Das ist etwas, was ich mir schulde, wie ich mir auch Trinken und Essen schulde. Dass ich damit ebenso gleichzeitig den anderen gerecht werde und ihnen etwas erfülle ist eine zusätzliche Gratifikation für mich. Es tut mir gut, wenn ich anderen guttue.
Schaffe ich es aus welchen Gründen auch immer aber nicht, den Werten und Bedürfnissen der anderen gerecht zu werden und fühle mich dadurch ausgeschlossen bzw. „schlecht“, zeigt mir ein Minderwertigkeitsgefühl meine Selbstverurteilung an. Eine Seite in mir verurteilt mich und erklärt mich für schuldig im Sinne des „Du hast was falsch gemacht und bist deshalb ein Versager“ oder ähnliche von strafenden Autoritäten übernommene Entwertungen.
Stattdessen kann ich auch mitfühlend mit meiner Schuld – neutraler: Verursachung bzw. Verantwortlichkeit – bezüglich unerfüllter Bedürfnisse wie etwa Gemeinschaft, Harmonie, Zugehörigkeit, Wertschätzung oder Solidarität umgehen. Dieser andere verständnisvollere Umgang könnte etwa so lauten: „Es tut mir leid, dass ich anderen nicht gerecht geworden bin; dass ich etwas nicht geschafft und nicht bekommen habe; dass ich mich ausgeschlossen und
schlecht fühle.“ Ich kann verstärkend noch hinzufügen: „Auch damit habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.“
Mit dieser Annahme meiner Schuld bezüglich meiner unerfüllten Bedürfnisse bzw. Werte sowie mit meiner mit dem damit verbundenen Mangel bzw. dem damit verbundenen Leid mitfühlenden Haltung, erfülle ich das, was meine Schuld und meine Schuldgefühle eigentlich für mich erreichen wollen: Heilung durch Mitgefühl und Liebe. So wie es das Evangelium beschreibt: Die menschliche Schuld geht im Mitgefühl und in der Liebe des Heilands, des heilenden Gottessohns Jesu auf.
Heilsamer Umgang mit der Schuld
Sich immer bewusst machen:
Das jeweilige Verhalten bzw. Unterlassen, das mit der Schuld und dem Schuldempfinden assoziiert wird, ist etwas anderes als die eigentliche Schuld bzw. das Schuldempfinden!
undAm Anfang aller Schuld und allen Schuldempfindens steht das Unschuldig-Schuldigwerden durch meine Schuldübernahme von den Eltern – was sie mir als Schuld zuweisen, und was ich mir als Leidtragender schmerzhaften elterlichen Verhaltens als meine Schuld zuschreibe; und zwar aus Liebe zu den Eltern und aus Liebe zu überkommenen Werten. Am Anfang aller Schuld bzw. Schuldempfindung stehen Mitgefühl und Liebe. Ohne Mitgefühl und Liebe gäbe es kein Schuldempfinden und somit auch keine Schuld.
Im Folgenden soll es nun darum gehen, wie ich die Schuld und meine Schuldgefühle optimal nutzen kann, damit sie für mich und für die Welt ihrem Zweck entsprechend heilsam wirken.
Dazu ist es notwendig, dass ich meine Wahrnehmung von Schuld, nämlich meine eventuell auch schmerzlichen Schuldgefühle, zunächst einmal als berechtigt annehme; unabhängig davon, ob sie objektiv faktisch berechtigt sind oder nicht. Dabei ist es erforderlich, dass ich
zu mir selbst in eine einfühlsame Beobachterposition gehe und in mir bewusst wahrnehme, was genau ich wo in meinem Körper wie empfinde, welche seelischen Gefühle – wie etwa Niedergeschlagenheit, Scham, Schuldangst, schlechtes Gewissen oder andere – mich gerade bewegen und mir meine damit verbundenen Gedanken bewusst mache.
Häufig ist es gerade beim Umgang mit ungerechten Anschuldigungen so, dass ich wie automatisiert abwehrend reagiere, was ja auch berechtigt ist. Doch im Nachhinein, spätestens wenn ich wieder zur Ruhe gekommen bin, kann ich die Situation nochmals in mir ablaufen lassen, mich dabei beobachten und mir Fragen stellen:
Jedes der Gefühle ist gleichermaßen berechtigt. Moralische Bewertungen sind hier so unpassend, wie sie bei den Empfindungen von Hunger, Durst, Kälte oder Hitze unpassend sind.
Auch hier geht es primär um eine möglichst neutrale Wahrnehmung und Beobachtung und nicht um eine Be- oder gar Verurteilung meiner Reaktionen.
Dabei kann ich vielleicht feststellen, dass mein „Mich-schlecht-Fühlen“ sich zumindest diffus wie ein Schuldgefühl anfühlt, selbst wenn meine Gewissenserforschung gar keine fassbare konkrete Schuld erkennen kann. Das hat seinen Grund in der unbewussten Verknüpfung von Mich-schlecht-Fühlen und mich Schuldig-Fühlen in der Kindheit.
Das kann durch eine bestimmte Mimik, Gestik, Körperhaltung, Tonfall, Stimmlage und oft auch durch unerklärliche, undefinierbare Faktoren ausgelöst werden. Auf einer unbewussten Ebene können kindliche Erinnerungen an ähnliche Signale der Eltern oder anderer Bezugspersonen im Zusammenhang von Schuldzuweisungen oder Ablehnungen getriggert und reinszeniert werden, sodass ich mich wieder wie damals schlecht und schuldig fühle. Dennoch sollte ich mein schlechtes Gefühl nicht einfach abtun, sondern mich damit annehmen und fragen, ob ich einen Beitrag zum Verhalten des anderen Menschen geleistet habe. Wenn ich diese Frage mit ja beantworte, ist es gerecht, für diesen meinen Beitrag die „Schuld“ bzw. die Verantwortung zu übernehmen, jedoch ohne für sein Verhalten die Schuld zu übernehmen und ohne ihn für sein Verhalten, entschuldigen zu wollen. Wenn ich die Person beispielsweise bewusst oder unbewusst durch mein Verhalten zu seinem Verhalten provoziert haben sollte, kann ich mir das dann eingestehen, mich dafür schuldig – im Sinne von „Das tut mir leid“ – fühlen und gleichzeitig ihm die Verantwortung bzw. die Schuld für sein Verhalten überlassen.
Das gilt entsprechend auch für explizite Schuldvorwürfe, Anfeindungen, Grobheiten, Kränkungen oder Ungerechtigkeiten von anderen. Hier gilt ebenfalls, nicht etwa einen Prozess zu führen, wer Schuld hat und wer nicht, sondern die Wirkung dieser Faktoren auf mich – mit mir mitfühlend – wahrzunehmen und zu prüfen, ob ich einen Anteil an seinem Verhalten habe. Wenn ja, erkenne ich das zumindest für mich mit Bedauern an; möglichst ohne mich für meinen Anteil zu verurteilen. Auch hier gilt, dass die Anerkennung meines Schuldanteils keineswegs gleichzusetzen ist mit einer Entschuldigung des anderen. Ich muss ihn aber ebenso wenig beschuldigen; im Sinne von: „Was hast du mir Schreckliches angetan.“ Ich kann jedoch sehr wohl meinen Schmerz mitteilen: „So wie du dich verhalten hast, tut mir das weh.“ Was der andere dann damit macht, ist seine Sache.
Eine Schuld wird als Schuld bzw. als Schuldempfindung immer erst dann für mich zum Problem, wenn sie mir bewusst wird. Eine Möglichkeit im Umgang damit ist, mich abzulenken und sie zu verdrängen. Dann trage ich sie verdrängt und belastend, gleichsam als ständig im Untergrund lauernde Bedrohung mit mir herum. Der heilsamere Umgang mit der Schuld ist, sie bewusst wahrzunehmen und sie quasi als eine wohlmeinende Seite von mir anzuhören, was sie mir zu sagen hat. Dabei kann ich mir jedes Mal zunächst wieder klarmachen, dass meine Schuld bzw. mein Schuldempfinden mich nicht kleinmachen oder gar quälen wollen – obwohl es sich oft quälend anfühlt –, sondern sie mich zu meinem Wohle an zu erfüllende Bedürfnisse und Werte erinnern. Es lässt sich natürlich fragen, was es für einen Sinn macht, wenn mir nach einem Jahr einfällt, dass ich jemandem nicht gerecht geworden bin; z. B. einer Frau nachts im strömenden Regen nicht bei einer Autopanne geholfen habe. Faktisch lässt sich nichts wiedergutmachen. Das Schuldgefühl will mir nicht sagen, was ich damals für ein rücksichtsloser und schlechter Mensch gewesen sei. Es geht vielmehr um die Erinnerung an meine Bedürfnisse bzw. Werte wie Hilfsbereitschaft, Barmherzigkeit,
Mitgefühl, Solidarität, Mitmenschlichkeit, denen ich damals in jener Situation nicht gerecht geworden bin, die ich vielleicht vergessen hatte bzw. zu denen ich damals keinen Zugang fand. Das impliziert, dass ich nicht nur der Frau, sondern auch mir und meinen Bedürfnissen bzw. Werten nicht gerecht geworden bin. Dass ich mich jetzt dafür schuldig fühle, ist der Beweis, dass ich jetzt wieder einen fühlenden Zugang zu diesen Werten gefunden habe und sie mir jetzt wieder etwas bedeuten. Mein Schuldgefühl ist also die Versöhnung mit den damals unerfüllten bzw. verletzten Werten – falls ich die Schuld und die Schuldgefühle ohne Wenn und Aber so annehme. Die Versöhnung kann man dann vielleicht so in Worte fassen: „Es tut mir leid, dass ich jener Frau und meinen Werten – Mitgefühl, Hilfsbereitschaft usw. – nicht gerecht geworden bin. Es ist gut, dass es mir leid tut, weil ich damit fühlend verstehe, wie wichtig mir diese Werte sind.“ Damit habe ich gleichzeitig der Schuld ihre menschliche Würde zugebilligt, anstatt sie zu einer Geißel zu machen. Wenn ich mich aber – hier sind „Wenn und Aber“ – lieber rechtfertige, statt Schuld und Schuldgefühl so anzunehmen, indem ich mich damit entschuldige, dass ich z. B. auf dem Weg zu einem medizinischen Notfall war, erspare ich mir das Leid-Tun. Gleichzeitig verpasse ich dadurch auch die Würdigung und die Würde meiner menschlichen Tragik, nämlich dass ich in der Erfüllung von bestimmten Bedürfnissen und Werten anderen Bedürfnissen und Werten etwas schuldig bleibe.
Natürlich kann mir die Frau auch leid tun, wenn ich mich nicht für meine unterlassene Hilfe schuldig fühle. In diesem Zusammenhang geht es jedoch mehr um den Aspekt meines Leid-Tuns meinetwegen, weil ich ihr nicht geholfen habe.
Wenn mich jemand falsch beschuldigt, ihn belogen oder bestohlen oder schlecht gemacht zu haben, ist meine spontane Reaktion, das von mir zu weisen. Das ist nicht nur berechtigt, sondern auch im Interesse der Werte wie Wahrheit und Gerechtigkeit notwendig. Doch dabei kann ich dennoch von ganz unterschiedlichen Gefühlen geleitet werden: Ärger, Wut, Angst, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit, Trauer oder sogar Schuldgefühl trotz meiner Unschuld. Jedes Gefühl ist berechtigt, selbst wenn ich mich schuldig fühle, obwohl ich definitiv weiß, dass die Anschuldigung falsch ist. Ich kann mich dann fragen, warum ich mich trotz meiner Unschuld schuldig fühle und – vielleicht noch wichtiger – wozu, zu welchem Zweck fühle ich mich schuldig?
Besonders wenn der (Falsch-)Beschuldiger von mir als eine Art Autorität wahrgenommen wird, kann ich mich in meine kindliche Gefühlswelt versetzt fühlen. In meinem kindlichen Erleben reagiere ich auf jede Art vorwurfsvoller Schuldzuweisung durch eine Autorität mit Schuldgefühlen; auch auf objektiv unberechtigte. Wenn ich mich frage, wozu ich – wie ein Kind – mit Schuldgefühlen auch auf unangemessene Beschuldigungen reagiere, kann ich mir das mit meinem Bedürfnis nach Harmonie in meiner Beziehung zum Beschuldiger erklären. Mit seiner Beschuldigung zeigt er mir an, dass er unsere Beziehung als gestört ansieht. Mit meiner Schuldannahme stimme ich mich auf seine Schuldzuweisung ein und bin so in gewisser Weise mit ihm „einverstanden“ und in Harmonie. In der Psychologie nennt man das Identifikation mit dem Aggressor.
So wie in der Erzählung des Alten Testaments Adam und Eva von der Autorität Gott beschuldigt werden, von verbotenen Früchten gegessen zu haben, nahmen sie die Schuldzuweisung und die Bestrafung an, obwohl sie zur Tatzeit noch gar nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden konnten. In ihrer Abhängigkeit vom Herrscher blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihre Schuld anzuerkennen – nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten und Gut und Böse unterscheiden konnten.
Ein weiterer Aspekt der Annahme meines Schuldgefühls ist mein fühlendes Verständnis für die unerfüllten Bedürfnisse des anderen. Er beschuldigt mich zwar von der Sache her falsch, doch von seiner Bedürfnislage mir gegenüber her gesehen stimmig; diese könnte etwa so lauten: „Ich verlange deine Zuwendung, deinen Respekt, dein Verständnis, deine Parteinahme für mich, deine Dienstleistung“ oder ähnliches. Dabei geht es hierbei nicht um die Frage, ob ich mich ihm zuwende bzw. folge oder nicht, sondern wie ich selbst ein der Sache nach unangemessenes Schuldgefühl zu meinem und seinem besseren Verständnis nutzen kann. Dieses bessere Verständnis könnte dann so formuliert werden: „Durch die Art seines vorwurfsvollen Verhaltens werden in mir kindliche Erinnerungen an vergleichbare Situationen geweckt und ich fühle mich unsicher, eingeschüchtert und schuldig; selbst wenn ich mir keiner konkreten Schuld bewusst bin. Es ist gut, wenn ich jetzt diesen Zusammenhang verstehe: dass ich mich durch bestimmte Signale einladen lasse, mich unschuldig schuldig zu fühlen. Ich will dafür, dass ich mich unschuldig schuldig fühle, die Schuld übernehmen; sie liegt in meiner Verantwortung. Für ein darüber hinausgehendes Fehlverhalten übernehme ich keine Verantwortung. Den anderen kann ich so verstehen, dass er sein vorwurfsvolles aggressives Verhalten braucht, um sich in der Beziehung zu mir sicherer bzw. als eine Autorität überlegen zu fühlen. Dieses Bedürfnis ist seine Sache, wofür er die Verantwortung trägt.“
Ich kann mich natürlich fragen, was ich eventuell für einen Beitrag leiste – das wäre dann wiederum meine Schuld –, dass er sich zu einem solchen Verhalten eingeladen fühlt. Mit diesem Beispiel soll deutlich gemacht werden, wie sehr ich mein Verständnis erweitern kann, wenn ich meine Gefühle – und hier besonders mein Schuldgefühl – als fürsorgliche und hilfreiche Informanten verstehe und wertschätze, statt sie wegen ihres leidvollen Anteils einfach nur weghaben zu wollen.
Kindliche Schuld und Schuldgefühle sind von der Tatsache geprägt, dass sich Kinder gewissermaßen permanent in der Schuld ihrer Eltern wähnen, da ihre Existenz faktisch von den Eltern abhängt. Das bedeutet für meinen kindlichen Umgang mit Schuldzuweisungen durch die Eltern, dass ich diese – Schuld – annehmen muss, um mit den Eltern wieder im Reinen bzw. in Übereinstimmung zu sein. Andernfalls fühlte ich mich ausgeschlossen, verlassen und ungeborgen. Diese Schuldübernahme des Kindes geht so weit, dass es sich schuldig fühlt, wenn es den Eltern schlecht geht und selbst dann, wenn sie dem Kind unrecht tun, es misshandeln, vernachlässigen oder missbrauchen. Das wirkt bis ins Erwachsenenalter nach, sodass sich noch der Erwachsene dafür schämt, was die Eltern ihm angetan haben. Dadurch, dass das Kind die Schuld für die Eltern übernimmt, erscheinen ihm die Eltern im Recht bzw. gerechtfertigt und es kann sie weiter lieben und sich bei ihnen in gewisser Weise geborgen fühlen.
Mein erwachsenes Schuldempfinden bezieht sich auf das, was ich selbst getan bzw. unterlassen und zu verantworten habe. Was jemand anderes getan oder unterlassen hat, kann ich in seiner Verantwortung belassen. Doch je mehr ich mich von einer Person abhängig fühle, desto mehr erlebe ich mich auch wieder in mein (abhängiges) kindliches Schulderleben versetzt und quäle mich mit Schuldgefühlen, wenn mir die Person tatsächlich oder vermeintlich „böse“ ist; ohne dass eine faktische Schuld erkennbar ist. Sobald mir das bewusst wird, kann ich mir zugestehen, dass ich für die Beziehung zwischen uns ein großes Opfer bringe. Ich fühle mich auf ein entsprechendes Signal hin – wie z. B. Stirnrunzeln der Bezugsperson – pflichtschuldigst schuldig und gehe so stimmig auf sein Stirnrunzeln ein.
Für dieses Opfer, das ich aus Liebe und aus Not bzw. als Nachwirkung eines kindlichen Musters bringe, kann ich mich wertschätzen.
Dass ich das Opfer der Schuldübernahme gebracht habe, entschuldigt keinesfalls die Täter wie z. B. die vernachlässigenden Eltern. Besonders wichtig ist dies für durch Traumen in der Kindheit dauerhaft geschädigte Menschen. Ein in der Kindheit durch Verwandte verletztes
Kind übernimmt die Schuld für das, was ihm angetan wurde, schämt sich dafür, fühlt sich wie aussätzig und glaubt, sich deswegen bzw. damit verstecken zu müssen. Hiermit bringt das Kind bis ins Erwachsenenalter permanent ein dem Tatursprung nach ungerechtes leidvolles Schuldopfer letztlich aus Liebe zu den Verwandten.
Dieses Schuldopfer aus Liebe bzw. Loyalität ist es, welches gar nicht hoch genug wertgeschätzt werden kann. Dabei geht es keinesfalls darum, das Trauma der erfahrenen Vernachlässigung, Gewalttätigkeit oder des Missbrauchs zu entschuldigen oder gar zu beschönigen. Dies alles bleibt unerträglich lange furchtbar leidvoll. Doch je leidvoller es ist, desto mutiger und stärker sind die Toleranz, die Leistung und die Liebe – z. B. in der Beziehung zu den traumatisierenden Eltern bzw. den Tätern – des opferbereiten Leidtragenden. Das sind die zu würdigenden Leistungen und die zu würdigende Liebe des opferbereiten Kindes.
Wenn man das so den Leidtragen sagt, kommt häufig der Einwand, dass sie sich damals aus Angst so verhalten haben – jedoch aus Angst wovor? Es ist die Angst, auch noch das zu verlieren, was ihnen in der Beziehung zu den Eltern an Wertvollem geblieben ist. Dieses Verbliebene ist dem Leidtragenden sein Opfer wert.
Um zu dieser Würdigung zu kommen, ist es notwendig, die eigentliche Schuld des Kindes anzunehmen: Diese Schuld ist nicht die Schuld für die Tat der eigentlichen Täter; diese bleibt bei dem Täter. Die Annahme der eigentlichen Schuld des verletzten Kindes könnte so lauten: „Ich bin schuld, dass ich eine Schuld für etwas auf mich genommen habe, was ich gar nicht zu verantworten habe. Damit habe ich mir selbst eine schwer erträgliche Schuldlast den Eltern zuliebe auferlegt. Dafür steht mir Wertschätzung, Mitgefühl und Liebe zu.“ Erst wenn dieses Unschuldig-Schuldig-Werden angenommen wird, erschließe ich mir fühlend auch den großen Wert und die Würde eben dieser eigentlich ungerechten Schuldübernahme.
Die Geschichte des Gottes- und Menschensohns Jesus erzählt genau diesen Zusammenhang: Das unschuldige Gotteskind nimmt aus Mitgefühl und Liebe die Schuld der Menschen auf sich. Es trägt die Schuld gewollt bis zum leidvollen Tod, überwindet so das Leid und führt in die Erlösung für sich und alle Menschen. Im Unterschied zu Jesus Christus ist hier im rein menschlich-sozialen Kontext die Schuldannahme auf die eigene Schuld und auf die Schuld im eigenen – z. B. familiären – Umfeld beschränkt.
Jedes missbrauchte, gedemütigte, verletzte oder vernachlässigte Kind, das sich für das, was ihm widerfahren ist, schuldig fühlt, kann wie Jesus die Würde dieses Opfers der Schuldübernahme für sich beanspruchen.
Gerade ein solches Kind erfüllt genau das, was Christen von Jesus glauben: Aus seiner (Gottes-)kindlichen Liebe heraus übernimmt es die Schuld der Missbraucher, der Verletzer und der Vernachlässiger, um mit ihnen versöhnt zu sein. Wie Jesus gebührt ihm für diese Schuldübernahme für Taten, die es nicht begangen hat, sondern deren Opfer es war, höchste Würdigung.
Um es nochmals zu betonen: Es geht um die Würdigung der Schuld infolge der Schuldübernahme durch die Opfer, nicht um die Würdigung der Schuld des Täters.
Vor diesem Hintergrund der unschuldigen Schuldübernahme der Kinder sind vielleicht auch die Seligpreisungen Jesu – „Lasset die Kinder zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Mt. 19) sowie die Seligpreisungen der Vernachlässigten, Leidenden und Verfolgten in seiner Bergpredigt (Mt. 5) – zu verstehen. Die Identifikation Jesu mit diesen Leidenden – „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt. 25), betont die Gleichsetzung der Gequälten, Verletzten, Verfolgten und Leidenden mit Jesus. Also gerade auch aus einer christlichen Sicht können besonders die Menschen, die aus Liebe die Schuld für das auf sich genommen haben, was ihnen Schreckliches angetan wurde, die höchste Würdigung für sich in Anspruch nehmen; statt weiter in ihrer Schuldangst und
ihrer Scham zu verharren.
Als Therapeut möchte ich dafür werben, sich von dieser Würdigung bzw. der Wertschätzung für die in dieser Weise Leidenden erfüllen zu lassen und sie ihnen entgegen zu bringen. Dabei hilft es, sich immer wieder klar zu machen, dass jedes Kind unter den jeweiligen familiären und kulturellen Bedingungen unschuldig Schuld der Eltern – Vernachlässigung, Verletzung, Ungerechtigkeit – auf sich nimmt bzw. genommen hat und dafür zu würdigen ist. Dieses Kind gilt es, in jedem Menschen zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu verstehen und zu würdigen.
Um einem möglichen Fehlschluss vorzubeugen: Damit soll keinerlei Schuld – erst recht nicht die eines kriminellen Täters – relativiert oder entschuldigt werden. Es geht ja im Gegenteil immer um die Annahme von Schuld und Schuldgefühl; nicht um die Taten selbst. Es geht um die Würdigung des Unschuldig-Schuldigseins durch die Schuldübernahme des Opfers.
Es geht darum, dass gerade die Menschen, die – überwiegend in der Kindheit – besonders schwere Traumen erlitten haben und das mit ihrer Schuld verbinden, zum Erleben ihrer Würde – gerade wegen ihrer Schuldübernahme, für das, was sie erlitten haben –, immer mehr in die Lage versetzt werden. Dabei hilft es ihnen natürlich, wenn ihnen die Wertschätzung und Würdigung – gerade wegen ihres Leids und ihrer opferbereiten Schuldübernahme – von anderen Menschen entgegengebracht wird. Wer auf diese Weise etwa einer posttraumatisch Gestörten achtungsvoll würdigend begegnet, erzielt einen doppelten Gewinn: Ich animiere so die Leidende in ihrer Wertschätzung ihrer selbst und löse damit heilsame Impulse aus. Gleichzeitig signalisiere dem verletzten Kind in mir, das die Schuld für etwas übernommen hat, was ihm angetan wurde, dass ihm auch für seine Schuldübernahme Wertschätzung und Würdigung gebührt. Das bedeutet, dass ich mich damit ein Stück selbst heile, indem ich anderen an ihrer übernommenen Schuldtragenden Wertschätzung entgegenbringe.
Unter Schuldangstgedanken sind Gedanken zu verstehen, die mit der Angst verbunden sind, nicht in Ordnung zu sein bzw. etwas falsch gemacht oder versäumt zu haben.
Häufig ist es so, dass ich mich mit ständig kreisenden Gedanken quäle, die mit Sorgen, Ängsten, Bedrückung, Überforderung, Schuld oder schlechtem Gewissen einhergehen. Die Gedanken, wie etwa „Werde ich all meine Aufgaben bewältigen?“, „Was kommt alles auf mich zu?“, „Ich sorge mich um meine Kinder“, „Welche – schlimmen – Folgen wird dieses oder jenes noch nach sich ziehen?“, „Was ist nur mit mir los?“, „In was für einer Welt leben wir nur?“, „Warum kann ich nicht schlafen?“ imponieren zunächst nicht so offensichtlich als Schuldgedanken, und doch schwingt die Schuld dabei in gewisser Weise immer mit. Die Ursache für dieses Mitschwingen der Schuld ist die bereits erwähnte unbewusste implizite Gleichsetzung von Mich-schlecht-Fühlen mit Schlecht-Sein bzw. Schuldhaftigkeit. In allen quälenden Gedanken wirkt stets mein selbst gegebener Auftrag, Lösungen oder zumindest Antworten zu finden, mit. Je weniger mir das gelingt, desto mehr fühle ich mich als Versager. Solange ich mich über mich ärgere und mich für mein Versagen verurteile, überlagere und verdränge ich mein Schuldempfinden, indem ich mich mehr mit dem Verurteiler in mir identifiziere. Doch ohne die gleichzeitige – wenn auch unbedachte – Schuldkonstruktion gäbe es keine Selbstanklage und keine Verurteilung.
Der schuldannehmende Umgang mit den kreisenden Gedanken könnte dann so lauten: Ich bin es, der mich mit meinen Gedanken quält. Ich tue das, weil es mir wichtig ist, für die zugrunde liegenden Probleme und Fragen Lösungen bzw. Antworten zu finden. Das ist berechtigt und sinnvoll. Gleichzeitig beinhaltet das jedoch auch, dass ich mir für alle diese Probleme und Themen die Verantwortung zuschreibe, obwohl ich sie faktisch nicht habe. Damit bin ich wieder in meiner kindlichen Schuldübernahme für Faktoren, unter denen ich leide, die ich
aber gar nicht verursacht und zu verantworten habe. Je quälender die Gedanken sind, je hilfloser ich mich fühle, desto stärker wird dadurch mein kindliches Hilflosigkeitserleben in Erinnerung gerufen und in Schwingung versetzt sowie ein damit einhergehendes diffuses Schuldgefühl aufgerufen.
Natürlich können mich auch konkrete Schuldgefühle anderer Art, nämlich solche, die sich auf mein selbst zu verantwortendes Fehlverhalten beziehen, plagen. Doch der heilsame Umgang ist prinzipiell derselbe, unabhängig davon, ob es sich um eine übernommene „Opferschuld“ handelt, bei der ich mich unschuldig zum Schuldigen erkläre oder ob es sich um eine faktische Täterschuld von mir handelt. Ich nehme zunächst jedes Schuldempfinden als berechtigtes Gefühl, das mich über etwas informieren will, an.
Ich heiße dann nicht die Tat an sich gut, sondern das Faktum, dass ich Schuld fühle und dafür – nämlich für das Schuldgefühl – die Schuld übernehme.
Wenn es um ein diffuses Mich-schlecht-Fühlen in Zusammenhang mit Sorgen z. B. um erwachsene Kinder, Zukunftssorgen wie Renten oder Klima, Überforderung durch eine Vielzahl von Aufgaben und ähnliche Faktoren geht, für die ich keine Verantwortung trage, kann ich mir bewusst machen, dass ich jetzt wieder wie ein Kind aus Mitgefühl, Fürsorge und Liebe die nicht zu bewältigende Verantwortung übernehme und mich dafür schlecht bzw. schuldig fühle. Ich darf und kann mich bzw. mein inneres Kind für diese Opferbereitschaft und diese Leistung wertschätzen und lieben.
Wenn ich mich mit Schuldgedanken bezüglich einem von mir zu verantwortendem Versagen – wie anderen zugefügte Kränkungen, Ungerechtigkeiten, unterlassene Hilfeleistung – plage, kann ich mir sagen, dass diese quälenden Schuldgedanken der Beweis dafür sind, wie leid mir dieses Verhalten tut. Dieses Leid-Tun ist der Ausdruck meines Mitgefühls mit sowie meiner Liebe zu den durch mich Leidtragenden und den – damals – nicht erfüllten Werten. Mit diesem mitfühlenden Leid-Tun mache ich mich in dem Augenblick dem Leidtragenden gleich und bin so mit ihm in mir versöhnt.
In gleicher Weise, wie ich in kindlicher Weise die Schuld für das übernehme, was die Eltern mir angetan haben, kann ich ebenso Schuld für Vergehen meiner Vorfahren im weiteren Sinn übernehmen und mich dafür schuldig fühlen bzw. schämen. Das lässt sich ausdehnen auf alles, was in meinem Namen geschehen ist bzw. womit ich als Person identifiziert bin. Ich kann mich schuldig fühlen für das, was mit den Hereros in Afrika geschah und erst recht für die Naziverbrechen. Natürlich habe ich – wie auch am Vergehen meiner Eltern an mir –an all dem keinen faktischen schuldhaften Anteil. Und doch bin ich in gewisser Weise damit affiziert. Das habe ich ganz konkret erlebt, als ich einmal bei einer persönlichen Begegnung in Israel unvermittelt die eintätowierte Nummer auf dem Unterarm des ehemaligen KZ-Häftlings sah. Ich schämte mich furchtbar. Das ist nur durch eine doppelte mitfühlende Identifikation möglich: Ich habe mich einerseits mit dem Leid des Juden und gleichzeitig mit der Täterschaft des Deutschen identifiziert. Das ist nichts anderes als die Auswirkung meiner spontanen – „unbedachten“ – Schuldübernahme. Daraus ließe sich ableiten, dass die Schuld – nicht in einem juristischen oder moralischen Kontext – etwas ist, was die Generationen, wenn auch leidvoll miteinander verbindet und gleichzeitig Täter und Opfer mitfühlend verbindet.
Vor diesem Hintergrund wird erneut die Gemeinschaft und Verbundenheit stiftende Wirkung der Schuld und des Schuldempfindens und damit auch die heilsame Wirkung deutlich.
Von hier ausgehend lässt sich die Heilsamkeit der Schuldannahme immer weiter fortschreiben und ausweiten: Ich empfinde mich in der Schuld für meine Umwelt, für die nachfolgenden Generationen, für Tiere und für Pflanzen. Das ist aber nur zu ertragen, wenn ich gleichzeitig mit dem leid- und sorgenvollen Anteil der Schuld wertschätzend ein fühlendes Verständnis
meines stets damit verbundenen Mitgefühls und meiner Liebe habe.
Dabei gilt es jedoch einem Missverständnis zu wehren: Ich schulde es weder mir noch irgendjemand, mich ständig schuldig zu fühlen; weder mir, noch meinen Eltern, noch meinen Kindern, noch den Hereros, noch den Juden, noch Gott. Aber wenn ich Schuld empfinde, ist es heilsam, sie anzunehmen und sie als Ausdruck von Mitgefühl und Liebe in mir wirken zu lassen.
Ich komme als mit dem Leben Beschenkter auf die Welt und bin als völlig hilfloses und abhängiges Wesen ständig auf weitere Beschenkung angewiesen. Dafür bringe ich meiner Pflegeperson spontan Liebe entgegen, die im Zusammenhang mit einer Gabe von ihr als Dankbarkeit empfunden wird. Mit zunehmendem Alter mache ich die Erfahrung, dass man für eine Gabe eine Gegengabe erwartet; etwa mit dem Satz: „Was sagt man, wenn man etwas bekommen hat?“ Da ich parallel zu dieser Entwicklung auch mein Schuldempfinden, mit dem ich nicht auf die Welt komme, bilde, kommt es zu einer Verknüpfung von Dankbarkeit und Schuldempfinden im Zusammenhang mit Geschenken im weitesten Sinn. Ich kann auch die Erfahrung machen, dass ich mit Geschenken verpflichtet werden soll und so noch mehr in Abhängigkeit gerate. Da die Schuld bzw. das Schuldempfinden mit Mich-schlecht-Fühlen, Minderwertigkeitserleben und einem Gefühl des Ausgegrenztseins einhergehen, was ich vermeiden möchte, wird die Dankbarkeit zu einem problematischen Gefühl; und das umso mehr, je stärker ich es mit Schuld assoziiere. Das führt dann dazu, dass ich nicht dankbar sein möchte; sei es, dass es mir schwerfällt, überhaupt etwas anzunehmen oder in Anspruch zu nehmen oder um etwas zu bitten; sei es, dass ich lieber fordere und der Meinung bin, dass man mir schuldet, was ich benötige. Es kann aber auch sein, dass ich von meiner Dankbarkeit so überwältigt bin, dass ich mich für dieses Überwältigtsein schäme.
Doch wie kann ich dann angemessen mit meinem Dankbarkeitsempfinden umgehen?
Zunächst ist es wichtig, mir zuzugestehen, dass Dankbarkeit genauso wie Schuld und alle anderen Gefühle ein berechtigtes und wertvolles Gefühl ist. Dankbarkeit erkennt fühlbar Werte aus einer Perspektive der Erfüllung an. Die Schuld erkennt ebenfalls fühlbar Werte an; jedoch aus einer anderen Perspektive – aus einer Perspektive der Nicht-Erfüllung. Aufgrund unserer Sozialisation, nämlich dass Dankbarkeit und Dankbarkeitsbezeigungen nicht nur spontan aufkommen, sondern sie auch autoritär gefordert werden, entsteht in mir eine vermischte Schnittmenge von Dankbarkeit und Schuld. Diese wechselseitige Überlagerung gilt es anzunehmen und anzuerkennen. Wenn ich aber, wie in den Kapiteln zuvor beschrieben, den Schuldanteil ebenfalls als ein Werte anzeigendes Gefühl würdige, bin ich mit mir im Reinen.
Darüber hinaus kann ich mir zugestehen, dass meine Dankbarkeit, für welche Gabe auch immer, Gegengabe genug ist, und ich darüber hinaus dem Geber nichts schulde. Das gelingt gerechterweise jedoch nur, wenn ich meinerseits ebenso die Dankbarkeit eines anderen als reiche Gegengabe für mein Geschenk im weitesten Sinn anerkennen kann und den anderen nicht in meiner Schuld empfinde.
Das Paradies und die Schuld – vom Paradies des Kindes durch Schuld zum PARADIES
Unter PARADIES soll das bedingungs- und gleichsam eigenschaftslose All-Eins-Sein verstanden werden.
Die unser abendländisches Glaubensbewusstsein prägende Erzählung vom ursprünglichen Paradies, aus dem wir zur Strafe vertrieben wurden, weil unsere Ureltern vom Baum der
Erkenntnis gegessen haben, kann man als Metapher für das Schicksal jedes Menschen deuten.
Mein ursprüngliches Paradies, das Erleben der innigen Liebesgemeinschaft an der Brust der Mutter, geht in dem Maße verloren, wie ich mir meiner selbst und damit implizit auch dem Getrenntsein von dem, was nicht ich selbst bzw. was anders ist, bewusst werde. Diese Erkenntnis der Unterscheidung von Selbst und Nicht-Selbst geht einher mit dem Auftauchen von Scham- und Schuldgefühlen. Je intensiver diese Gefühle sind, desto intensiver und quälender erlebe ich mein Abgeschnittensein von der liebenden Gemeinschaft und meine Isolation als Selbst bzw. als aus- und gleichzeitig eingeschlossene Einzelperson. Wenn die Mutter mir tatsächlich oder vermeintlich böse ist, fühle ich mich „schlecht“ und übernehme die Schuld dafür, dass ich aus dem Paradies der Liebesgemeinschaft mit ihr vertrieben wurde. Ich kann aber wieder zurück, wenn ich lieb bin und die Mutter mich wieder in die Arme schließt. Dieses Paradies ist aber ständig bedroht; und zwar umso mehr, je mehr ich auf meinen Schmerz durch immer wiederkehrende Vertreibungen – z. B. durch Konflikte mit der Mutter – mit Wut auf sie reagiere. Doch auch diese Vertreibungen aus dem Paradies sind im Interesse meiner Autonomie- und meiner Bewusstseinsentwicklung notwendig. Sie verhelfen mir dazu, mich dem, was jenseits der zu eng werdenden Grenzen meines „paradiesischen Nests“ ist, zu öffnen. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Seite, die sich gegenüber der Mutter schuldig fühlt; sowohl schuldig wegen dieser Wut als auch schuldig wegen meines Mich-Entfernens von der Mutter. Der Gewinn unter dieser Schuld ist eine größere Autonomie und das Eingehen liebevoller Beziehungen zu nächst entfernteren Menschen wie Kindergärtnerin, Freundin, Freund u. a.
Der Prozess der sehnsüchtigen Suche nach dem Paradies der Erfüllung meiner vorrangigen Bedürfnisse bzw. Werte – Geborgenheit an einem sicheren Ort, nie versiegender Nahrungsfluss (von „Milch und Honig“), Sexualität und Generativität („Nachkommen zahlreich wie Sterne am Himmel und Sand am Meer“), Expansion und Sieg über Feinde bzw. Konkurrenten – wird im Alten Testament illustriert.
Verallgemeinert beschreibt diese Erzählung bis heute die Lebenswirklichkeit der Menschen auf ihrer Suche nach einem Paradies der Geborgenheit, des Überflusses, des Zugangs zu Sexualität und Nachkommenschaft sowie der Selbstbehauptung gegenüber Rivalen.
Auf diesem Weg meiner Suche nach diesen Werten komme ich immer wieder an andere Orte: Kindergarten, Schule, Ausbildungsorte, eventuell aber auch in Gefangenschaft oder ins Krankenhaus, an andere Wohnorte, Arbeitsplätze, Urlaubsorte bzw. Sehnsuchtsziele und schließlich ins Altenheim und/oder ins Hospiz. An allen diesen Orten erlebe ich häufig bei den Übergängen bzw. Wechsel von einem Ort zum anderen Schuld: Wenn ich einen Ort verlasse – besonders wenn ich mich in der Gemeinschaft mit den dortigen Menschen wohlgefühlt habe – schmerzt mich das, selbst wenn ich mich auf das Kommende freue. Ich fühle mich umso schuldiger, je schwerer mein Weggang für die Zurückbleibenden ist.
Das gilt in gleicher Weise für alle Formen von Gemeinschaften: Familien, Vereine und Vereinigungen, Betriebe, Religionsgemeinschaften, Parteien, Zünfte, Gangs, Gewerkschaften, Chöre, Freundeskreise, durch bestimmte gemeinsame Ziele geprägte Gruppen usw. Das kann noch dadurch verstärkt werden, dass Austritte mit Verurteilungen – „Verräter“ – und Strafen sanktioniert werden.
Doch auch innerhalb eines bestimmten Lebensumfelds mache ich mich immer wieder schuldig. Sei es, dass ich nicht allen Bedürfnissen meiner Nächsten gleichermaßen gerecht werden kann, sei es dass ich meinen eigenen lebensnotwendigen Bedürfnissen nicht genügend gerecht werde und mich so der mangelnden Selbstfürsorge schuldig mache. Dabei kann es durchaus sein, dass ich mangelnde Selbstfürsorge gar nicht als Schuld empfinde, weil ich glaube, den anderen meine aufopfernde Fürsorge und damit meine Selbstaufgabe zu schulden. Das ist besonders bei Mädchen und Frauen in patriarchalisch strukturierten Gesellschaften der Fall.
Dabei ist das Schuldmuster in solchen Patriarchaten immer gleich: Die Bedürfnisse bzw. die Rechte des Patriarchen – Jehova, Erzvater (Abraham bedeutet: Vater ist erhaben), Häuptling, Führer, König, Papst, Familienoberhaupt usw. – haben stets Vorrang. Wer anderen – mehr – dient, lädt schwere Schuld auf sich und hat mit drakonischen Strafen zu rechnen; wie beispielsweise die Israeliten, die ums goldene Kalb tanzten und von Moses erschlagen wurden. Das ist noch das Prinzip aus dem Tierreich, in dem der Pascha das erste Recht auf alles hat: Fressen, Fortpflanzung und bevorzugter (Aufenthalts-)Ort. Er darf auch seine Jungen fressen bzw. töten. Doch bereits im Tierreich sind es die Mütter, die ihm dieses Recht streitig machen.
Im Neuen Testament ist es Jesus, der die einseitige Bevorzugung des „Höchsten“ ausgleicht und aufhebt. Er betont zwar auch als wichtigstes Gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben“, ergänzt es jedoch durch Gleichsetzungen: „Und ein anderes ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Mk. 12 und Lk. 10. Die Liebe eint und macht Gott, den Nächsten und mich gleich. Jesus hebt die patriarchalische Hierarchie auf, in der dem Höchsten zu dienen ist, indem er verkündet: „Wer der Höchste sein will, sei des anderen Diener.“ Mt. 23 und Mk. 10. Das unterstreicht er, indem er in Mk. 10 den Kindern das Himmelreich zuspricht und er sich mit den Schwachen – Kranken, Gefangenen – gleichsetzt: „Was ihr ihnen getan habt, das habt ihr mir getan.“ Mt. 25. Mit seinem Mitgefühl für die Schwachen, Unterprivilegierten und Sünder(-innen) weitet er auch das „Schulden“ im weitesten Sinne aus: Wer sich nur den Herrschern, den Mächtigen, den Privilegierten verpflichtet fühlt und nicht den Schwachen, schließt sich selbst aus der bergenden Gemeinschaft aus.
Den Weg vom Paradies des Säuglings an der Brust der Mutter zu dem zeitlosen PARADIES der gesamten Schöpfung in der Vereinigung mit dem Schöpfer, dem Gebärer allen Seins könnte demnach so skizziert werden: Indem ich die Mutter, Eltern, Geschwister usw. verlasse und mich immer wieder Neuem öffne, erschließe ich mir ständig neue Lebensräume und Beziehungen, auf die ich mein Mitgefühl und meine Liebe ausrichte. Da ich in meiner menschlichen Begrenztheit nicht allem gleichermaßen gerecht werden kann, ziehe ich von „Vor-lieben“ bzw. „alten Lieben“ mitfühlende und liebevolle Zuwendung ab und mache mich so in gewisser Weise schuldig.
Jesus antwortet auf Nachricht, dass draußen vor dem Haus seine Mutter und seine Brüder auf ihn warteten: „Hier sind meine Mutter und hier sind meine Brüder.“ Mk. 3 und Mt.12. In diesem Sinne fordert er auch von einem Jünger, der erst noch den Vater begraben möchte: „Lasst die Toten die Toten begraben. Du folge mir nach.“ Mt. 8 und Lk. 9, und er fordert damit implizit den Jünger auf, sich gegenüber einer „heiligen Pflicht“ schuldig zu machen, um ihm auf dem Weg der Liebe und der Ausweitung der bedingungslosen Liebe zu folgen.
Dass Jesus es als Schuld ansieht, Fremden bzw. Unterprivilegierten Fürsorge zuzuwenden und dabei eigenen Kindern etwas vorzuenthalten, bringt er einer Syrophönizierin, die ihn um die Heilung ihrer Tochter bittet, zum Ausdruck: „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen.“ Mk. 7 und Mt. 15. Doch mit ihrer passionierten Fürsorge stimmte sie Jesus um, und er heilte die Tochter. Danach zog er in das Zehn Städte Gebiet, das auch von den Nabatäern, Heiden bewohnt war und lehrte dort.
Wenn ich Jesus auf seinem Weg zur bedingungslosen Liebe, dem PARADIES folgen will, kann ich gar nicht anders, als mich von meinen jeweiligen Vor-lieben immer wieder zu trennen und mich dabei schuldig zu machen. Wenn Jesus sagt: „Wer seinen Vater, seine Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern ja sein eigenes Leben nicht hasst, kann nicht mein Jünger sein“, Lk. 14, kann man das vor dem Hintergrund der notwendigen Ablösung von seinen zeitlich begrenzten und stets vergänglichen Vor-lieben verstehen. Die Liebe, die an diesen Vor-lieben immer weiter festhalten möchte, wird durch Wut und Hass blockiert, sodass
die Ausrichtung der Liebe auf das Andere, Neue und letztlich auf das Unbedingte hin möglich wird. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mich als kleiner Junge, wütend über meine Mutter, nach Afrika aufmachte; jedenfalls ein Stück weit.
Da meine Mutter Angst vor Impfschäden hatte, vermied sie meine Impfung gegen Pocken. Als ich dreiundzwanzigjährig nach Australien wollte, war das wegen der fehlenden Impfung zunächst nicht möglich. Ich bin noch heute verwundert über meine entsetzliche Wut damals auf meine Mutter, der ich die Schuld für die vermeintliche Abhaltung von meinem Sehnsuchtziel gab.
Mittels meiner Sehnsucht nach dem Weiteren, dem Fernen, dem Anderen und dem Unbekannten sowie mittels meiner Wut auf mir Nahestehendes öffne ich mich für das Weitere und weite damit auch meine Liebe immer mehr. Dadurch befreie ich sie zunehmend von vor-bestimmten Bedingungen, die bis dahin erfüllt sein mussten, damit ich Liebe empfinden bzw. damit ich lieben kann. Mit der unbedingten Liebe ist dann letztlich die Liebe gemeint, die nichts Konkretes, nichts Bestimmtes mehr braucht, um mich und alles uneingeschränkt mit ihr zu erfüllen. Das ließe sich am ehesten auf den Nenner bringen: Die bedingungslose Liebe ist die Liebe zur Liebe. Wenn ich diese Liebe „Gott“ nenne, ist es die Liebe zu Gott.
In der Liebe zu Gott gibt es die Gefahr, dass ich in der Tradition des Alten Testaments die Liebe in der Beziehung zu Gott so verstehe, dass er gleichsam als mein allmächtiger Erfüllungsgehilfe meiner irdischen Vorlieben – sicherer Ort, köstliche Nahrung in Überfluss, Sexualität und Nachkommen, Triumph über meine Konkurrenten – mir zur Seite steht. Man könnte dies das „Judas-Missverständnis“ des Heilsegoisten, der Gott für sein Wohl für sich verbrauchen will, nennen. Doch man kann Gott – die Liebe – nur ganz, das bedeutet in uneingeschränkter Selbstmitteilung wollen oder man bleibt gefangen in seiner Endlichkeit (Karl Rahner). Mit einer solchen heilsegoistischen Vorstellung kommt mir dann Gott wie ein Verräter vor, wenn ich in meinen vorläufigen, bedingten Paradiesvorstellungen enttäuscht werde. Das ist auch der Grund dafür, dass Menschen sich nach schmerzlichen Verlusten wie Tod der Mutter oder des Partners oder eines Kindes oder im Zusammenhang mit eigener schwerer Krankheit von Gott abwenden.
In dem gleichzeitig ablaufenden Ablösungs- und Ausweitungsprozess der Liebe mache ich mich bezüglich des teils wütenden Liebesentzugs stets auch schuldig; wie Jesus gegenüber seiner Mutter, seinen Brüdern, den Kindern seines Volkes (wenn er auch Heiden heilt), oder wie der Jünger gegenüber seinem verstorbenen Vater usw. Diese Schuld gilt es, immer wieder neu mit jeder weiteren Ablösung anzunehmen. Dabei kann ich mich in diesem sich ständig wiederholenden Verschuldungsprozess mit der Tatsache trösten, dass es nicht so sehr entscheidend ist, wen oder was ich liebe, sondern dass ich liebe.
Es ist auch nicht entscheidend, ob und von wem ich geliebt werde. Ich muss mich also nicht sorgen, ob mich Eltern, Partner, Kinder, Freunde oder Gott lieben und insofern muss ich mir auch keine Liebe verdienen bzw. aus Gefälligkeit „lieb sein“, um mir die Liebe anderer zu erhalten: Ich will lieben um der Liebe willen. Je mehr mir das gelingt, desto näher bin ich dem PARADIES der bedingungslosen uneingeschränkten Liebe.
An dieser Annäherung können kein Verlust und keine Krankheit und keine Katastrophe etwas ändern. Der Tod und das Tote haben nie Wirklichkeit. Nur das Leben und das Lebendige sind wirklich und darin am stärksten die Liebe. Der Tod kann jedoch dem Leben und der Liebe Raum geben.
So habe ich es im Freundeskreis erlebt, dass ein Witwer im Mitteilen seines Schmerzes und seiner Trauer über den Tod seiner geliebten Frau von Rührung und Dankbarkeit – durch die Intensität und Tiefe seiner Liebe zu ihr – erfüllt war. Diese seine Mitteilung von sich habe ich als Bereicherung für mich empfunden.
Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht – gerade auch bei den jüngst Betroffenen der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal –, dass die Verluste aller Art neben furchtbarem Leid eine
begeisternde Mitmenschlichkeit, Fürsorge, Liebe und Dankbarkeit freigesetzt haben. Eine ganze Reihe meiner zuvor teils schwer depressiven Patienten aus dieser Region war spontan geheilt. Gleichzeitig fühlten sie sich schuldig im Hinblick auf das Ungelebte ihrer Vergangenheit und der aktuellen Begrenztheit ihrer Leistungsfähigkeit. Gerade hier fühlte ich mich an Jesus erinnert: Diejenigen, die sich in ihrem Mitgefühl und ihrer Hilfsbereitschaft immer wieder bis zur Erschöpfung engagierten, luden die meiste Schuld auf sich in dem Sinne, dass sie sich schuldig fühlten für das, was sie nicht schafften. Dabei hat jeder seine Grenzen und sein Empfinden, ob und inwieweit er jemandem etwas „schuldig“ geblieben ist. Hier wird besonders deutlich, dass das Maß des Schuldgefühls gleichzeitig das Maß der Mitmenschlichkeit, der Fürsorge und der Liebe ist.
Je besser es mir gelingt, meine Schuldannahme und mein Schuldempfinden gleichzeitig als Liebesäquivalent fühlend zu verstehen, anstatt mich zu rechtfertigen, desto mehr kann ich mich gerade für diese meine Schuldannahme und mein Schuldempfinden wertschätzen und lieben. Dadurch befreie ich meine Liebe von weiteren Bedingungen: nämlich von den Bedingungen, Bestimmtes leisten oder erfüllen zu müssen, damit andere mich lieben. Gleichzeitig befreie ich mich von meinen Bedingungen, die ich an andere stelle; bzw. von Voraussetzungen und Bedingungen, die andere erfüllen müssen, damit ich sie lieben kann.
Natürlich ist das ein sehr schwieriger und schmerzhafter Prozess auf meinem Weg zum PARADIES der bedingungslosen Liebe; nicht nur, weil ich dabei alte Vor-lieben verlasse, sondern auch, weil dabei alte Aversionen, die mich vor der Wiederholung schmerzlicher Erfahrungen schützen wollen, aufzuheben sind. Das gilt besonders für mein Schuldempfinden in Bezug auf die Aufgabe meiner Vor-lieben bzw. mein Schuldempfinden, wenn ich an ihnen festhalte und sie nicht aufgebe.
Auf diesem Weg vom Paradies des Kleinkinds über zunehmende Schuldannahme, Erkenntnis und Ent-wicklung meines Glaubensbewusstseins bekomme ich dann vielleicht zunehmend eine Ahnung davon, was Jesus meint, wenn er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ Joh. 14, und „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ Joh. 8. Es ist der Weg in die Freiheit der bedingungslosen Liebe – eben in das PARADIES – über das Mitgefühl, die Schuldannahme und die kindliche Liebe.
Nachsatz: Der Januskopf der Schuld
Schuld und Schuldempfinden haben immer zwei Blickrichtungen. Die eine Blickrichtung ist auf das Defizit, den Mangel, das Versagen, den (Wert-)Verlust, die Verletzung bzw. die damit assoziierte Schuld im engeren Sinn gerichtet. Der andere Blick geht in die Richtung der Erfüllung von Werten und Bedürfnissen. Die Schuld und das Schuldempfinden sind also notwendige und wertvolle Vermittler zwischen der Information über Defizite im weitesten Sinn mit dem dadurch verbundenen Leid einerseits und andererseits ihrer Erfüllung bzw. Wiedergutmachung. Das mit der Schuld und dem Schuldempfinden verbundene Leid ist gewissermaßen das Bindeglied zwischen Defizit, Mangel, Verletzung oder Verlust als dem einen Pol und dem Mitgefühl und der Liebe als dem anderen. Es gibt keine Schuld und kein Schuldempfinden ohne Mitgefühl. Beide, Mitgefühl und Schuld bzw. Schuldempfinden sind Kinder der Liebe.
Diese komplexhafte Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit von Negativem und Positivem bzw. von Belastung und Befreiung gilt es mit der Annahme von Schuld fühlend zu verstehen
und sich dadurch zu heilen. Damit sollen die anderen Umgangsweisen mit der Schuld wie Rechtfertigung, Relativierung, Gegenbeschuldigung, Aufrechnung oder Entschuldigung keineswegs in Abrede gestellt oder gar verurteilt werden. Doch nur die mitfühlende, bedauernde Annahme von Schuld ermöglicht die Befreiung und die dem Schuldempfinden innewohnende Würde, was sich dann in einem als Versöhnung und Heilung ereignet.
Es gibt keine Schuld und kein Schuldempfinden, welche nicht gleichzeitig auf Wertvolles wie Gerechtigkeit, bergende Verbundenheit und Gemeinschaft, Mitgefühl und Liebe bezogen sind.
Von daher kann ich eben auch bei allem Leid, das mit der Schuld verbunden ist, stets mit tiefer Überzeugung sagen: Auch mit dieser Schuld und diesem Schuldempfinden habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich und bleibe damit der unverändert wertvolle Mensch.
Schuldig-werden-Können, Schuld und Schuldempfinden unterscheiden uns von den Tieren. Mit der Schuldannahme bzw. der Schuldübernahme – bei primärer Unschuld – folge ich dem Vorbild des Gottessohns und Heilands Jesus Christus und erlöse und heile mich damit. Da ich mich mein ganzes Leben lang immer wieder schuldig mache, bedeutet das auch einen lebenslangen Heilungsprozess, in dem ich lerne, mir immer mehr durch die Schuld auch meine und aller Menschen Werte und Würde zu erschließen.
In was für einer Welt würden wir leben, wenn wir uns in der Annahme unserer jeweiligen Schuld – jeder die seinige – überbieten wollten?
Anwendung der Berührungsakupunktur im Umgang mit Schuld und Schuldempfinden
Gerade auch um zu betonen, dass jede Schuld und jedes Schuldempfinden aus dem Mitgefühl und letztlich aus der Liebe hervorgehen, wird das auch ausdrücklich miteinander verbunden:
(Dazu können die folgenden eventuell für mich zutreffenden Annahmeformulierungen unter Berührung des Thymuspunktes auf der oberen Brustbeinmitte stimmhaft ausgesprochen werden.
Auch wenn ich mich schuldig gemacht habe, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mich stets neu schuldig mache, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich es prinzipiell nicht vermeiden kann, mich schuldig zu machen, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch mit meiner kindlichen Schuldübernahme, für das, was meine Eltern (Vorfahren, Autoritäten) verschuldet haben, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mich immer noch dafür schäme, was meine Eltern (Onkel, Opa, Lehrer u. a.) mir angetan haben, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich immer noch glaube, meine Mutter (Vater, Bruder, Onkel u. a.) für das, was sie (er) mir angetan hat, rechtfertigen zu müssen, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mein Mitgefühl mit der Mutter unterdrücken muss, um sie nicht zu rechtfertigen und ihre Schuld bei ihr lassen zu können, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich dazu meine Wut auf sie aufrechterhalten muss, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mich für meine Wut auf meine Mutter schuldig fühle, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich keine Wut auf meine Mutter spüren kann, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mich ständig für alles Mögliche rechtfertigen muss, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich alles Mögliche, als Schuldzuweisung empfinde, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich ständig ein schlechtes Gewissen habe, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich immer meine, etwas falsch gemacht zu haben, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch mit meiner Angst, Fehler zu machen, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich immer wieder Fehler mache, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich ständig kontrollieren muss, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch mit meinem Kontrollzwang, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich das Gefühl habe, nicht dazuzugehören, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich das Gefühl habe, in meiner Familie fremd zu sein, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich das Gefühl habe, ungeliebt zu sein, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich glaube, ein schlechter Mensch zu sein, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich glaube, von allen abgelehnt zu werden, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn mich meine Schuldgedanken keine Ruhe finden lassen, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mich so schlecht fühle, dass ich niemandem begegnen möchte, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich Angst habe, zuviel von mir zu zeigen, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich ständig Schuld zuweise, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn Schuld, Schuldempfinden und Schuldzuweisen nichts Wertvolles beschädigen können, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn die Schuldzuweisung auf eine Wertaberkennung abzielt, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich eine Schuldzuweisung annehme und mich schuldig fühle, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.
Auch wenn ich mich in meiner Schuld minderwertig fühle, habe ich Mitgefühl mit mir und liebe mich.